Digital Rail Summer School (DRSS) 2020


Digital Rail Summer School erfolgreich abgeschlossen

Mit der Labor- und Demophase im Erzgebirge vom 21.-25. September ist die diesjährige Digital Rail Summer School erfolgreich zu Ende gegangen.

Die Vortragsfolien sind nun auch verfügbar und in der Agenda den jeweiligen Vorträgen zugeordnet.

Wir danken allen TeilnehmerInnen, Vortragenden und Unterstützenden für die wertvollen Beiträge, die interessierte Stimmung vor Ort und die rückblickend erfolgreichen Studierenden-Projekte.

Eindrücke

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Abschlussfilm


Ankündigung der Veranstaltung



Digitalisierung bei der Deutschen Bahn (und im gesamten Bahnsystem) bedeutet nicht nur die Einführung neuer Geräte und computergestützter Verfahren, sondern Digitalisierung steht auch für neue Herausforderungen bei der Aus- und Weiterbildung aller Beteiligter. Digitalisierung bei der Deutschen Bahn ist ein Querschnittsthema, bei dem Informatik-Sachverstand mit Wissen zum Eisenbahnbetrieb und zum Zulassungswesen kombiniert werden müssen. Kein einziger Studien- oder Ausbildungsgang bringt heute alle diese Aspekte unter einen Hut.

Die in der Informatik derzeit populären Programmiersprachen – wie Python, Java, JavaScript, Objective-C, oder .NET – eignen sich zwar gut für dynamische Systeme, agile, Web-basierte Verfahren und insbesondere die App-Entwicklung, jedoch ist keine dieser Programmiersprachen ohne Einschränkungen zulassungsfähig für sicherheitsrelevante Systeme im Bahnbetrieb. Gleichzeitig sind moderne, modell- und simulationsgetriebene Entwurfsverfahren unabdingbar für die Entwicklung neuer, wartbarer Software für den Bahnbetrieb.

it IT-Systeme (Software Engineering) center->it certification Zulassung center->certification railway Bahnwesen (digitale LST) railway->center

Abbildung 1: Die drei Dimensionen der Digitalisierung

Werden dagegen die betrieblich-technischen Systemfunktionen des Bahnbetriebs – wie zulässige Geschwindigkeiten, Längen/Abstände, Fahrstraßen, Fahrerlaubnisse (Fahrdienstvorschrift, Signalbuch) – als Ausgangspunkt genommen, so gibt es dort mit der Einführung digitaler Leit- und Sicherungstechnik eine Vielzahl von Veränderungen. Stellbezirke werde signifikant größer, der Übergang zwischen Bahnhof und Strecke verwischt. Diese Umstände resultieren in neuen Vorschriften (bspw. für ETCS-2-Betrieb), die im Störungsfall zu erheblichen Kapazitätseinbrüchen führen können. Störungsfälle werden im Bahnbetrieb traditionell ausführlich getestet. Allerdings finden diese Tests stets auf Ebene des Gesamtsystems statt. Im Anbetracht der Notwendigkeit Komponenten häufig zu aktualisieren ist das zu aufwändig und ineffizient. Anders als in der Informatik werden im Bahnbetrieb Aktualisierungen bislang kaum systematisch getestet (etwa durch Fehlerinjektion, agile Verfahren oder DevOps).

Das System Eisenbahn ist inhärent eng mit dem öffentlichen Raum verflochten, wodurch traditionell sehr hohe Anforderungen an die Sicherheit des Bahnverkehrs gestellt werden. Die Eisenbahn muss nachweislich jederzeit alle entsprechenden gesetzlichen Anforderungen einhalten – sowohl hinsichtlich der eingesetzten technischen Mittel, als auch im laufenden Betriebsgeschehen. Das Zulassungswesen für den Bahnbetrieb basiert bislang auf Äquivalenzbetrachtungen. Ein neues System muss mindestens so sicher sein wie das alte System. Gelingt der Nachweis (aufgrund von Redundanz, Kodierungstheorie, Zerstörungsversuchen, etc.), so kann man das neue System in Verkehr bringen. Gleichzeitig ist ein neues Zulassungsverfahren für diese Systemklasse definiert. Paradigmenwechsel, wie die verteilte Implementierung von Leit- und Sicherungstechnik oder ein Failover über Systemgrenzen hinweg, erfordern auch bei der Zulassung neue Ansätze.

Das bisherige Zulassungswesen basiert auf systematischen Methoden (z. B. formuliert in EN 5012x), die einerseits die Komplexität des Eisenbahnsystems deterministisch strukturieren und auf dieser Basis eine Nachweisführung ermöglichen. Damit sind Zulassungsprozesse für Eisenbahnsysteme per se sehr aufwändig. Sie führen zu dem typischen Phänomen im Eisenbahnsektor, wonach einzelne Komponenten zur Zulassung gebracht werden und daraufhin möglichst oft und möglichst lange in andere Systeme (und nachfolgende Generationen) "vererbt" werden. All dies steht im Gegensatz zu den technischen Möglichkeiten digitaler Systeme und zu den zunehmend erkennbaren Mechanismen digitalisierter Märkte. Diese Mechanismen betreffen insbesondere der Bereitschaft, aufwändige Zulassungsverfahren durchzuhalten (und vorzufinanzieren) und den Kapitalrückfluss mit langen Produktlebenszyklen sicherzustellen. Vor allem im Verlauf der langen Lebenszyklen der Produkte im Eisenbahnsektor muss damit gerechnet werden, dass einzelne Komponenten nicht mehr lieferbar sein könnten (Obsoleszenz).

Darüber hinaus ist absehbar, dass in den kommenden Jahren lernende Systeme und Algorithmen auf Basis künstlicher Intelligenz einen Reifegrad erlangen werden, der es ihnen erlaubt Funktionen in der Betriebsführung der Eisenbahnen zu erfüllen. Diese Ansätze stehen jedoch im Gegensatz zur bisherigen "volldeterministischen" Zulassung, wonach Sicherheitsnachweise für Systeme und Komponenten nur auf einem vollständig vorhersehbaren Verhalten basieren.

All dies heißt, dass neue Ideen gefunden werden müssen, mit denen die Sicherheit des Eisenbahnsystems und des Eisenbahnbetriebs erstens tatsächlich sichergestellt ist und zweitens vorher nachweisbar ist. Als Teil der Systementwicklung ist die Nachweisführung zur Betriebstauglichkeit einschließlich Sicherheit eine Aufgabe der "Inverkehrbringer". Damit dieser Prozess möglichst zielorientiert, effizient und effektiv abläuft, bedarf es sowohl auf Seiten der künftigen Systementwickler als auch der künftigen Systemanwender einer Sensibilisierung auf die jeweiligen Rollen und Zuständigkeiten, auf das Ziel, auf den Weg dorthin, auf die Randbedingungen und vor allem auf Ideen um die Herausforderungen der Zulassung bahntechnischer Systeme im Zeitalter der Digitalisierung zu meistern.

Mit der Digital Rail Summer School 2020 (DRSS 2020) wollen wir die drei Dimensionen der Digitalisierung im Bahnbetrieb adressieren, nämlich: Informatik, Bahnbetrieb und Zulassungswesen. Als Ergebnisse der DRSS 2020 sehen wir:

  • Ein integriertes Aus- und Weiterbildungskonzept
  • Dissemination von Ergebnissen über Videos/Poster
  • Basisarbeit für Projektanträge für Digitalisierungsprojekte (mFUND, etc.)
  • ECTS-Leistungspunkte (Credits) für Studierende der beteiligten Universitäten

Partner

  • Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam (HPI)
  • Fachgebiet Bahnbetrieb und Infrastruktur, Technische Universität Berlin (BBI TUB)
  • IFB - Institut für Bahntechnik Berlin (IFB)
  • DB Netze, DB Institute of Technology, DB Systel (DB)
  • TU Chemnitz (TUC)
  • TU Braunschweig (TUBS)
  • TU Dresden (TUD)

Struktur

Die DRSS 2020 besteht aus vier großen Blöcken. Auf einen einwöchigen, integrierten Vorkurs (der zweimal angeboten wird, 11.-15. Mai und 15.-19. Juni) folgt eine zweimonatige Projektphase. Die eigentliche Summer School wird vom 21.-25. September im Umfeld des Digitalen Testfelds vom DB Institute of Technology veranstaltet. Ergebnisse sollen schließlich präsentiert werden.

cluster_projekt cluster_demo cluster_dissemination vorkurse Integrierte Vorkurse Mai, Juni online projekt Projektphase Juni/Juli HPI, TUB, IFB, TUBS, TUC, TUD, DB vorkurse->projekt demo Labor- und Demophase 21.-24. September Jöhstadt, digitales Testfeld projekt->demo dissemination Dissemination (Poster, Video) 24.-25. September Jöhstadt demo->dissemination

Abbildung 2: Ablauf der Digital Rail Summer School

Vorkurse

Die integrierten Vorkurse müssen aufgrund der gegenwärtigen Situation in digitaler Form durchgeführt werden. Dafür werden vorproduzierte Videos bereitgestellt und interaktive Diskussionsrunden per Video-Konferenzschaltung eingerichtet. Durch verschiedene SprecherInnen (FachexpertInnen) werden folgende Themen adressiert (Liste noch nicht vollständig); die Präsentation der Themen variiert in Länge (mindestens vier Stunden) und Lehrform (z. B. Übung, Workshop, Vorlesung):

  • Erstellen von Systemspezifikationen (BBI/IFB)
  • Softwaretechnik/Softwareentwicklung-Know-how (HPI)
  • Systemgestütztes Anforderungsmanagement (IFB)
  • Bahnbetrieb im Kontext der Digitalisierung; Entwicklung und Beschaffung bahntechnischer Systeme (IFB)
  • Systementwicklung und –analyse durch Co-Simulation und Fehlerinjektion (HPI)
  • Planung und praktische Durchführung des Bahnbetriebs (TUB)
  • Safety/Security bei der Entwicklung eingebetteter Software (TUC)

Ziel der Vorkurse ist es vor allem, TeilnehmerInnen mit unterschiedlichem Vorwissen fachübergreifendes Wissen zu vermitteln. Darüber hinaus ist es möglich, domänenspezifisches Wissen zu vertiefen. Betrachtet man Abbildung 1, so bewegen wir uns entlang der Achsen in Richtung Koordinatenursprung. Mit den folgenden Projekten sowie vor allem der Labor- und Demophase im Erzgebirge wird die DRSS 2020 den Fokus auf die Integration des Wissens aus allen drei Dimensionen legen. Dazu sind weitere Vorträge von ExpertInnen im September (3. Schritt) geplant.

Projektphase

Zweiter Schritt nach den Vorkursen ist die Projektphase. Hier sollen TeilnehmerInnen der DRSS 2020 Erfahrungen bei der praktischen Umsetzung von Software-Projekten für den Bahnbetrieb sammeln können. Wir planen derzeit folgende Projekte:

  • EULYNX Live – Co-Simulation mit Hardware-in-the-Loop; Ansteuerung eines Weichenantriebs aus dem Simulationsmodell heraus (zunächst im universitären IoT-Lab am HPI, dann im Digitalen Testfeld)
  • Automatisiertes Fahren

Dabei wird es den TeilnehmerInnen möglich werden, unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen. Das HPI betreut den Schwerpunkt der Systemerstellung und Programmierung, BBI und IFB fokussieren auf den Projektablauf und werden mit den TeilnehmerInnen Prozessbestandteile wie Anforderungserfassung, Risikobetrachtung und Zulassungsprozess durchlaufen.

Die TeilnehmerInnen werden sich in der Projektphase austauschen, z. B. durch Vor-Ort-Treffen oder Telefonkonferenzen.

Labor- und Demophase

Die Labor- und Demophase besteht aus einer Woche mit Fachvorträgen aus Wissenschaft und Industrie, gemeinsamer Projektarbeit, sowie Exkursionen. Wir stellen somit eine Plattform für gegenseitige Lehre, gegenseitigen Austausch und Vernetzung bereit.

Für Studierende fallen für die Labor- und Demophase im digitalen Testfeld Jöhstadt Kosten von rund 120 € für Unterkunft und Verpflegung an. TeilnehmerInnen aus anderen Bereichen bitten wir die Kosten individuell per E-Mail (drss-2020-application@lists.myhpi.de) zu erfragen.

Leistungserfassungsprozess

Die Vorkurse werden als Blockkurse durchgeführt (Montag 13:00 bis Freitag 13:00). Sie umfassen 12 Vorlesungs-/Vortrags-Einheiten von 90 Minuten und 2 Diskussionsrunden. Vom Umfang her entspricht das einer einsemestrigen Vorlesung an den beteiligten Universitäten. Die Labor- und Demophase im Digitalen Testfeld (Erzgebirge) veranschlagen wir mit demselben Umfang.

Wichtig für Studierende der beteiligten Universitäten: sowohl der Vorkurs als auch die Projektphase werden je nach Universität individuell mit ECTS-Punkten (European Credit Transfer System) veranschlagt. Die einzelnen Universitäten werden ihren Studierenden die Möglichkeit geben, eine mündliche Prüfung im Anschluss an die DRSS 2020 abzulegen und somit benotete ECTS-Punkte zu erwerben.

Universität Vorkurse Projekte
HPI

3 ECTS

(ITSE-A/E, OSIS-K/T, SAMT-K/T, CODS-K/T/S, CYAD-K/T/S)

3 ECTS

(ITSE-A/E, OSIS-K/T, SAMT-K/T, CODS-K/T/S, CYAD-K/T/S)

TUB 3 ECTS 3 ECTS
TUBS 3 ECTS 3 ECTS
TUC 5 ECTS
TUD 3 ECTS 3 ECTS

Zielgruppe

Die Veranstaltung richtet sich an Studierende (aller Universitäten, aller Fachrichtungen), die sich für IT-Systeme bei der Bahn interessieren. Im Mittelpunkt stehen dabei eingebettete Systeme für sicherheitsrelevante Funktionen zur Steuerung von Hardware im Bahnsystem und die Modellierung von sicherheitskritischer Hard- und Software mit Ansätzen wie SysML und SCADE.

Auch MitarbeiterInnen der Deutschen Bahn, befreundeter europäischer Bahnen sowie der Herstellerfirmen im Bereich Digitaler Leit- und Sicherungstechnik können gern an der DRSS 2020 teilnehmen.